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Entscheidend ist der Mensch - ein eindrucks­volles Zeitzeu­gen­ge­spräch zur DDR-Geschichte mit Norbert Wagner

„Was Sie uns heute berichteten, war äußerst spannend!“, meinte die Zehntklässlerin Michelle Strießbaum sichtlich bewegt zu Norbert Wagner im Anschluss an das Zeitzeu­gen­ge­spräch zu dessen Leben in der DDR. Die Erfahrungen des Erfurters möchte keiner der gut 30 Schüler aus den Jahrgangs­stufen 10 bis 12 teilen. Er war als junger Mann zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde trotz seiner damaligen Überzeugung vom Sozialismus Opfer des Systems.

Beim Pressefest des „Volk“ des Jahres 1978 war es zu Ausschrei­tungen gekommen. Norbert Wagner hatte einen Verletzten zum Sanitätszelt gebracht. Dort klickten die Handschellen. Obwohl er nichts getan hatte, wurde der damals Achtzehn­jährige verhaftet, verhört und verurteilt. Den größten Teil seiner Strafe verbrachte er im Lager Raßnitz bei Merseburg. Die Häftlinge wurden unter katastro­phalen und lebens­ge­fähr­lichen Bedingungen in der Chlorher­stellung eingesetzt. Nicht jeder überlebte.

Auch Norbert Wagner erlitt eine Quecksil­ber­ver­giftung. Mit dieser wurde er entlassen. Die Krankheit zehrte seinen Körper auf 46 kg aus. Mit Glück überlebte Norbert Wagner, leidet aber bis heute an den Folgen. Stark machte ihn seine Familie. Dank dieser Bindung ließ er sich auch nicht von der Bundes­re­publik freikaufen oder siedelte in diese über. Norbert Wagner blieb in der DDR, hatte aber Einschrän­kungen in seinem Alltag zu erleiden und wurde weiter überwacht.

Besonders eindrucksvoll war für die Schüler auch die Anschau­lichkeit des Vortrages. Originalu­ten­silien wie eine Knebel­fessel, ein Gummiknüppel oder Uniformteile ließen manches nacher­lebbarer werden. „Eine Uniform gibt Macht.“, sagte Norbert Wagner. Jonas Schottmann, der in eine solche schlüpfte, bestätigte dieses Gefühl nach dem Rollenspiel eines Verhörs. „Macht verändert aber auch den Menschen.“, warnte der Zeitzeuge. „Es kommt auf die Menschen an, wie sie sich verhalten.“ Warum er seine Erfahrungen an Schulen weitergäbe, wollte Niklas Stötzer wissen.

Die Menschen erinnerten sich an die schönen Seiten wie verliebt sein, mit Freunden etwas unternehmen, … – auch von diesen erzählte Norbert Wagner und forderte die Schüler auf, diese zu nutzen und zu genießen. Natürlich sei es, die schlechten dagegen zu vergessen. Er erhebt keine Vorwürfe, aber er möchte aufklären. Diese Haltung fanden die Schüler sehr beeindruckend und nicht selbst­ver­ständlich. Norbert Wagner meinte, er würde gern wieder zu Gesprächen an die Schule kommen und lud gleich­zeitig zu Veranstal­tungen des Vereins „Aufrecht“ ein, die in Zusammen­arbeit mit dem Landes­be­auf­tragten des Freistaates Thüringen zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur (ThLA) an dessen Standort in Erfurt sowie in der Gedenk­stätte Andreas­straße besucht werden können.

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