Aus dem 21. Jahresbericht des Herzog Ernst-Seminars (1891)
Verfasser: A. Zeys
Das historische Gebäude
"Das in der südwestlichen Vorstadt Gothas an der Reinhardsbrunnestraße gelegene Herzog-Ernst-Seminar ist in der Zeit von Juni 1885 bis September 1888 nach dem Plane des Herrn Baurat Griebel mit einem Aufwand von rund 444 400 RM (inkl. 31 600 RM für Grunderwerb) erbaut worden.
Der Grundriß hat annähernd die Gestalt eines liegenden E von 62,16 m Länge und 17 m Tiefe, während die gleich dem Mittelbau in der Front als Risalite vorspringenden 11 m breiten Flügel dem Bauplatze entsprechend 25,87 m und 30,71 m lang sind. Das in deutscher Renaissance als Backsteinrohbau ausgeführte Gebäude ruht auf einem breiten Betonfundament, besteht aus einem Sockelgeschoß, drei Stockwerken und einem louvreartigen Dache und hat bis zu dem von Löwenkopfkonsolen getragenen Dachgesims im Mittelbau 19,80 m, sonst 17,20 m Höhe, während die Gesamthöhe des Mittelbaus 29 m, der Zwischenbaue 23 m und der Flügel 26,60 m beträgt.
Das Sockelgeschoss stellt eine Rustika dar, in Zement ausgeführt, ebenso wie die Gurtgesimse, die Fenstereinfassungen und die Quaderlisenen der drei Stockwerke. An der reich dekorierten Vorderseite zeichnet sich der Mittelbau durch besonderen Schmuck aus. Er zeigt auf einem achtstufigen Treppenvorbau einen viersäuligen, mit Basen gekrönten Portikus von 7 m Höhe und im zweiten Stock zwischen Pfeilerarkaden die hohen Bogenfenster des Festsaales, über welchem ein mit heraldischen Figuren und dem Herzoglichen Wappen geschmücktes Uhrfrontispiz das Ganze abschließt. Das Dach ist mit Leheftener Schiefer und Bretterverschalung gedeckt. Vom Portikus führen drei Türen in die Eingangshalle und von da zehn Stufen zu dem durch Pendeltüren abgeschlossenen Korridor, von wo aus man in dem hellen Treppenhause auf einer zweiarmigen auf I-Trägern ruhenden Treppe nach dem Kellergeschoss und den oberen Stockwerken bis zum Dachgeschoss gelangt.
Außer dieser Haupttreppe führen in jedem Zwischenbau, sowie im westlichen Flügel je eine feuersichere und rauchfreie Treppe vom Sockelgeschoss bis auf den Boden. Die lichten Höhen der Räume betragen - im Sockelgeschoss 3,20 m, im Erdgeschoss und ersten Stocke 4 m, im 2. Stock 4,28 m, in der Mansarde 3,08 m, in den Schlafsälen 6,40 m und im Festsaal 8m. Sämtliche Treppen, die Fußböden und Decken der unteren Geschosse, sowie die des oberen Korridors zwischen den beiden Schlafsälen, und der Abschluss des Haupttreppenhauses sind aus Beton zwischen 1-Trägern ausgeführt, in den übrigen Räumen des Dachgeschosses aus Kreuzverstakung zwischen Balkenlagen.
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Das für ein sechsklassiges Seminar, eine vierklassige Übungsschule und 80 Alumnen angelegte Gebäude enthält folgende Räumlichkeiten mit 30615 cbm.
- Unter dem Sockelgeschoss: einen frostsicheren Keller für die Lehrer und den Hausmeister
- Im Sockelgeschoss: die Wohnräume des Hausmeisters und seiner Dienstleute, das Zimmer des Heizers, einen Baderaum mit acht Brausen nebst Ankleidezimmer mit Lattenbelag, fünf Kaloriferen, Räume für Brennmaterialien der Anstalt und der Lehrer, die Wasch- und die Alumnats-Küche nebst Aufwasch- und Vorratsraum
- Im Erdgeschoss: Über der Küche und mit ihr durch einen Aufzug verbunden den Speisesaal mit 4 Tafeln, daneben das Anrichtezimmer mit Schrank für Tischwäsche und einem gut ventilierten Speiseschrank mit verschließbaren Fächern für die Schüler, zwei Seminar- und vier Seminarschulklassen, ein Zimmer für die Lehrer und Lehrmittel der Seminarschule, das Dienstzimmer des Hausmeisters und hinter einem Glasabschluss die Wohnung des verheirateten Lehrers, endlich im westlichen Flügel die Aborte und Rinnen für die Seminarschüler; darüber
- Im ersten Stock: den Abort der Seminaristen, vier Seminarklassen, ein Prüfungszimmer, nach Norden einen mit abgeschrägten Tischen und vier großen Wandtafeln ausgestatteten Zeichensaal mit einem Zimmer für Modelle, Zeichenbretter und Zeichnungen, die Bibliothek, ein Lehrer-, ein Konferenz- und das Direktorzimmer nebst Archiv und die Direktorwohnung.
- Im zweiten Stock: zwei Orgelstuben, einen Musiksaal mit Orgel und Flügel, das Physikzimmer mit terrassenförmig aufsteigendem Podium und anstoßendem Lehrmittelzimmer, fünf Schülerwohnstuben von denen vier für 9, 15, und zweimal 18 Schüler eingerichtet sind, eins aber vorläufig zur Aufstellung naturgeschichtlicher Lehrmittel dient, den Festsaal, mit großem Orgelraume und einem kleineren Nebenraume für einen Teil des Podiums, zwei Reserveräume und hinter einem Glasabschlusse zwei Krankenstuben mit dazwischenliegendem Baderaume, sowie die aus Stube und zwei Kammern bestehende Wohnung des unverheirateten Lehrers
- Im Dachgeschoss: sieben Klavier-, zwei Schrankzimmer, einen Putzraum mit Schuhregalen, zwei Schlafsäle (252 und 190 qm, bei einem jeden einen Nachtabort) und zwei Waschzimmer, sowie zwei Geräteräume.
- Auf dem Hausboden: unter anderem einen Verschlag mit verschließbaren Abteilungen für die schmutzige Wäsche der Schüler."